Samstag, 6. Juli 2013

Eine One-Shot-Story

Hey^^
Letztens habe ich für einen Wettbewerb eine One-Shot-Story geschrieben:

Das Buch der Lügen – One Shot Story


Mein ganzer Körper zitterte. Ich nahm die Scherbe der zerschlagenen Vase in die Hand und betrachtete mein Spiegelbild. Was war bloß aus mir geworden? Mein glattes Haar hing schlaff und leblos hinunter, meine dunklen Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Meine Haut war blass und im schwachen Licht sah ich krank aus. Mein langes Kleid war am Saum zerrissen und die Träger waren verrutscht. Ich kniete mich auf den kalten Betonboden fing an zu weinen. Meine Tränen fühlten sich warm und feurig an. Sie waren nicht zu stoppen. Wie mein früheres Ich, bevor ich in das tiefe Loch der Trauer und Einsamkeit hinabstürzte. Ich hatte alles verloren. Meine Freunde und den Jungen, den ich liebte. Meine Eltern mieden mich, so gut es ging. Ich bedeutete ihnen nichts, für sie war ich wie ein lästiger, nicht wegzubekommender Ausschlag. Ein nichts. Es war ihnen egal, wie es mir ging. Es war ihnen egal, dass ich betteln gehen musste, um an meine tägliche Dosis Heroin zu kommen. Es war ihnen egal, dass ich mich jedes Wochenende ins Koma trank. Sie verschlossen alle die Augen vor der Wahrheit. Ich tat es eine Zeit lang auch, doch an dem heutigen Tag, hier und jetzt, beschloss ich, das Buch der Lügen zu schließen, für immer. Mit einem Schnitt in meine Pulsadern nahm ich meinen Eltern, meinen Freunden, meiner Umgebung, die Last, mich jeden Tag ertragen und ignorieren zu müssen. Das Blut tropfte aus dem Boden. Aus wenigen Tropfen wurde eine ganze Lacke, die mein Kleid jedoch aufsog. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Mein ganzes Leben zog noch ein letztes Mal wie ein Kurzfilm an mir vorbei: Meine Kindheit, mein bester Freund, den ich schon mein ganzes Leben lang kannte und in den ich mich auch verliebt hatte, meine beste Freundin, die wie eine Schwester für mich war, die ganzen verrückten Aktionen, die wir durchgemacht hatten und schließlich die Zeit, wo sich alles änderte, sich jeder von mir abwandte und ich nach und nach abstürzte. Niemand hielt mich auf, niemand wollte mich vom tiefen Abgrund der Verzweiflung bewahren, niemand nahm meine Hand, um mich hinaufzuziehen. Niemand war für mich da, in dem Augenblick, wo es mir am schlechtesten ging. Ich spürte, wie mich jegliche Lebenskraft, jeglicher Wille, zu kämpfen, verließ. Ein letztes Mal schlug ich die Augen auf, um einen Blick auf das Foto von meinem besten Freund, dem Jungen, den ich liebte, zu werfen, bevor sich mein Körper von dieser Welt verabschiedete und meine Seele für immer in das Reich der Toten hinabstieg und dort Stück für Stück verblasste.


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